Reto Branschi, Direktor/CEO im Interview

Vorwärtsgehen

«Wir investierten 83'000 Franken aus dem ‹Klimafonds Davos› in nachhaltige Projekte»

Reto Branschi, Direktor/CEO

Reto Branschi, Direktor/CEO, verrät im Gespräch mehr über seine Herzensprojekte. Und blickt voraus, wie es nach seiner DDO-Ära weitergeht.

Reto Branschi, wir stehen heute im Kurpark, der derzeit eher einer Baustelle als einem Park ähnelt. Was ist der Grund für diese Bauarbeiten?
Die aktuellen Bauarbeiten betreffen die Fundamente für den nachhaltigen Temporärbau «Loft ‘23», der für Veranstaltungen wie das WEF und den Spengler Cup genutzt wird. Die Fundamente dienen dazu, das Gewicht des Gebäudes gleichmässig zu verteilen und damit den Boden zu schützen. Die Fundamente werden im Frühling wieder bedeckt und begrünt, wodurch der Kurpark im Sommer wie gewohnt für Veranstaltungen genutzt werden kann. Dies ist eine Investition in die Zukunft, da wir nicht wieder Eventzelte verwenden, sondern einen nachhaltigen Bau.

Nachhaltigkeit ist ein grosses Thema hier in Davos. Wir haben das Ziel, bis 2030 der erste klimaneutrale Ferienort zu werden. Sind wir auf Kurs?
Die Fortschritte sind etwas langsam, vor allem aufgrund des Fachkräftemangels, der es den Unternehmen schwer macht, in nachhaltige Initiativen zu investieren. Andererseits konnten wir jedoch kürzlich 83'000 Franken aus dem «Klimafonds Davos» in nachhaltige Projekte investieren. Zwei davon betreffen den HC Davos. Sie zielen auf verbesserte Mobilität, damit Hockeyfans bessere Zuganbindungen haben und auf die Einführung von Mehrweggeschirr.

Du hast diese Klima-Initiative lanciert. Es scheint, als wäre sie ein Herzensprojekt für dich.
Die Tourismusorganisation hat schon immer Nachhaltigkeit priorisiert und ist als Vorbild vorausgegangen. Wir wissen, dass unsere Gäste dies schätzen. Daher haben wir uns entschieden, mehr zu investieren. So haben wir bereits das Kongresszentrum klimaneutral gemacht und werden im Frühling eine grosse Photovoltaikanlage auf dem Sportzentrumdach installieren. Wir verfolgen das Ziel, zusammen mit der Gemeinde und unseren Leistungsträgern «Davos 2030» zu einem Vorzeigeprojekt zu machen. Ganz nach dem Motto: Taten statt Worte. Wir glauben an diese Vision.

«Das Swiss Epic bringt dem Kanton Graubünden jährlich 10'000 Übernachtungen – und somit eine enorme Wertschöpfung.»

Ein weiteres Herzensprojekt von dir ist das Bike-Mehretappenrennen Swiss Epic, das du vor fünf Jahren nach Graubünden geholt hast. Wie fällt deine Bilanz aus?
Sehr positiv! Das Swiss Epic hat sich schnell etabliert und trotz der Herausforderungen der Corona-Jahre konnten wir immer etwa 600 Teilnehmende aus 40 Nationen verzeichnen. Dies hat dem Kanton Graubünden jedes Jahr 10'000 Übernachtungen gebracht – eine enorme Wertschöpfung. Mountainbiken ist wichtig im Tourismus, daher müssen wir auf diesen Markt setzen. Das Swiss Epic ist ein hervorragender Botschafter, da es sich um ein Teamrennen handelt, das weniger auf den Spitzensport ausgerichtet ist als andere Rennen. Wir freuen uns, dass wir den Vertrag für weitere drei Jahre verlängern konnten. Allerdings gibt es auch Schattenseiten.

Was meinst du damit genau?
Mit der steigenden Anzahl von Mountainbikerinnen und Mountainbikern entstehen mehr Konflikte, insbesondere im Bereich des Streckenunterhalts und der Beziehungen zu Grundstückseigentümern. Hier müssen wir Lösungen finden, um Konflikte zu vermeiden. Dank des Swiss Epic konnten wir bereits einige Projekte in Davos Klosters umsetzen.

Erzähl uns bitte mehr über diese Projekte.
Wir engagieren uns beispielsweise beim Juniorenprojekt von Scott. So sind wir auf Dario Lillo gestossen. Er gilt als eines der grössten Nachwuchstalente und ist für uns als Botschafter unterwegs. Ein Glücksfall. Dann haben wir den Red-Bull-Athleten Tom Oehler, der unsere Singletrails auf sympathische Weise bewirbt. Ein weiterer Höhepunkt ist die schweizweit längste Wegentflechtung eines Singletrails für Wandernde und Bikende nach fünf Jahren Projekt- und Planungszeit.

Apropos Events: Im letzten Geschäftsjahr fanden wieder der Spengler Cup und das WEF statt. Wie wichtig sind solche Grossveranstaltungen für Davos Klosters?
Zuerst zum Kongressgeschäft: Es gab Stimmen, die während der Pandemie behaupteten, dass es künftig nur noch digitale Meetings gäbe. Das Gegenteil war der Fall. Das Kongressgeschäft ist wiederbelebt worden – und die Nachfrage ist sogar grösser als zuvor. Das zeigt, dass Menschen sich nicht nur digital, sondern auch persönlich treffen möchten. Das WEF ist sehr wichtig für uns und trägt Davos in die ganze Welt hinaus. Der Spengler Cup hingegen ist das bedeutendste Sportereignis über Weihnachten und Neujahr. Kurz: Events sind unsere DNA.

Ein vorzeitiger Ausstieg im Dezember würde keinen Sinn ergeben. Ich werde noch einige Projekte abschliessen und sie ordnungsgemäss an meine Nachfolge übergeben.»

Blicken wir zurück auf die letzte Wintersaison. Wir standen vor einer unsicheren Situation aufgrund von COVID-19 und der Energiekrise. Wie bewertest du die Energiekrise? Besteht die Möglichkeit, dass sie diesem Winter erneut auftritt?
Ich bin optimistisch in Bezug auf die bevorstehende Wintersaison, die meiner Meinung nach besser verlaufen wird als im letzten Jahr. Die Energiekrise war damals eine grosse Unsicherheit. Obwohl wir die Zukunft nicht vorhersagen können, sind wir jetzt besser darauf vorbereitet als zuvor. Dennoch gibt es weiterhin Unsicherheiten aufgrund von neuen Virusvarianten. Trotzdem glaube ich, dass die Saison gut verlaufen wird. Vor allem dank unserer Bergbahnen, die einen sehr guten Job machen und frühzeitig die Pisten öffnen können. Alles deutet auf eine vielversprechende Saison hin.

Das macht Vorfreude auf den Winter. Du wirst bald auch wieder mehr Zeit zum Skifahren haben. Man sieht es dir nicht an, aber du erreichst dieses Jahr das Pensionsalter. Wir müssen uns damit abfinden, dass die Ära Branschi endet. Wie sehen deine Pläne aus? Und ist das Ende so endgültig, wie es klingt?
Ja, alles hat einmal ein Ende. Ich werde sicher bis zum 30. April in meiner aktuellen Position weiterarbeiten. Ein vorzeitiger Ausstieg im Dezember würde keinen Sinn ergeben. Ab Mai werde ich sehen, wie es weitergeht. Ich werde noch das grosse Digitalisierungsprojekt und drei kleine Projekte abschliessen und sie ordnungsgemäss an meine Nachfolge übergeben.

Gibt es bereits Informationen über deine Nachfolge?
Im Oktober wird es Ausschreibungen geben, die von zwei Executive-Search-Firmen im Auftrag des Verwaltungsrats durchgeführt werden. Die Entscheidung wird voraussichtlich Ende Dezember oder Anfang Januar fallen. Der Starttermin der neuen Person wird ebenfalls eine Rolle spielen. Wenn dies erst auf Juni hin geschieht, wird meine Ära voraussichtlich noch bis zum 31. Mai dauern.

Du hast während deiner Karriere immer sehr gerne und sehr viel gearbeitet. Hast du bereits Pläne für die Zeit danach?
Endlich werde ich Gelegenheit haben, mich den Dingen zu widmen, für die ich bisher zu wenig Zeit hatte. Ich wollte immer vorwärtsgehen und die Destination mit neuen Projekten weiterbringen. Die Grenzen zwischen meiner Arbeit und Freizeit waren fliessend. Entsprechend gibt es jetzt einige Dinge, die ich nachholen möchte. Dazu zählen Bücherlesen, Radfahren im Sommer und Skifahren im Winter. Obwohl: Einige meiner bereits pensionierten Kollegen sagen, dass sie weniger Freizeit haben als damals während ihrer Arbeitszeit (lacht). Ich bin gespannt, was auf mich zukommt.